Was ist die beste Antwort, wenn ein Kind fragt: "Wer ist Gott?"

Sri Chinmoy: Wir wissen, dass Gott alles ist, Gott ist in allem, und Gott ist jenseits von allem. Dies ist unser philosophisches Verständnis und unser psychisches Verständnis. Aber ich möchte aus der reinen, unschuldigen und seelenvollen Sicht eines Kindes über Gott sprechen, dem Verständnis eines Kindes entsprechend.
Was ist Gott aus der Sicht eines Kindes? Gott ist Anteilnahme. Eine Mutter wird versuchen, ihrem Kind Tag und Nacht Anteilnahme zu zeigen. Aber von 24 Stunden kann die Mutter trotz ihrer besten Absicht nur zwei oder drei Stunden bewußt ihre Anteilnahme anbieten. Sie möchte ihm die ganze Zeit ihre ganze Zuneigung zeigen. Aber tagsüber muß sie studieren oder arbeiten, ihre eigene Meditation verrichten und eine ganze Menge anderer Sachen erledigen. Sie kann sich nicht ausschließlich um ihr Kind kümmern, obwohl es ihr Allerliebstes ist. Wenn es krank ist, wird sie sich 15, 16 oder sogar 24 Stunden am Tag um das Kind kümmern. Doch gewöhnlich kann sie ihre Anteilnahme nur für einige Stunden geben. In Gottes Fall ist das anders. Er gibt uns ständig Seine innere und äußere Anteilnahme.
Wir bleiben 50, 60, 70 oder sogar 100 Jahre lang auf der Erde, aber das ist nicht unsere wirkliche Lebensspanne. Unser wirkliches Leben ist endlos. Wir kamen aus der anfanglosen Vergangenheit und wir gehen in die endlose Zukunft. Wir hatten vergangene Inkarnationen, und wir werden viele zukünftige Inkarnationen haben. In unseren vergangenen Inkarnationen hatten wir verschiedene Eltern. In dieser Inkarnation erhalten wir Anteilnahme von einer Mutter und einem Vater; in unseren vergangenen Inkarnationen haben sich verschiedene Eltern um uns gekümmert, und in der Zukunft werden wieder andere Eltern für uns sorgen. Doch Gottes Anteilnahme empfinden wir von Anfang an, und sie wird immer gleich bleiben. In dem Augenblick, in dem Er unsere Seele schuf, begann auch Gottes Anteilnahme, und sie wird für immer beständig und ewig bleiben.
Alles hat einen Ursprung und der Ursprung der Anteilnahme ist Einssein. Wenn mein Finger verletzt ist oder blutet, bin ich sofort um ihn besorgt. Warum? Weil ich eins mit meinem Finger bin. Wenn etwas mit Ihrem Kind nicht in Ordnung ist, zeigen Sie ihm Anteilnahme, weil Sie eins mit ihm sind. Gerade in diesem Augenblick leiden und sterben viele Leute im Krankenhaus, aber selbst wenn Sie sie kennen würden, würden Sie ihnen wahrscheinlich nicht Ihre Anteilnahme zeigen. Warum? Weil Sie sich nicht ganz mit ihnen identifizieren und Ihr Einssein mit ihnen nicht fühlen. Aber Sie fühlen Ihr Einssein mit Ihrem Kind, und Ihr Kind fühlt sein Einssein mit Ihnen. Wir können also sehen, dass der Ursprung der Anteilnahme Einssein ist. Sie geben Ihre Anteilnahme jenen, die Ihnen nahe stehen und die Ihnen lieb und teuer sind, die also ein fester Teil Ihres Lebens sind. Da Gott der Allesdurchdringende ist, kommt Seine Anteilnahme von Seinem alles durchdringenden Einssein. Da Er überall und in allem ist, muß Er mit allem eins sein. Darum schenkt Er allem Seine Anteilnahme.
Wenn Sie einem Kind von Gott erzählen, sprechen Sie nicht über Ihn als alten Mann. Lassen Sie das Kind immer fühlen, dass Gott jemand in seinem Alter ist. Wenn das Kind drei Jahre alt ist, dann ist Gott für dieses Kind auch drei Jahre alt. Erzählen Sie ihm, dass Gott sein guter Freund ist, sein ewiger Freund. Sagen Sie ihm, dass es auf Gott vorbereitet sein soll. Gott kommt zu ihm als sein engster Freund, daher muß es sich gut benehmen.
Doch die beste Antwort ist, dem Kind zu sagen, es solle in einen Spiegel schauen und so seelenvoll wie nur möglich lächeln. Das Kind mag das Wort "seelenvoll" vielleicht nicht verstehen, aber das Kind kann leicht sehen, wie schön es aussieht. Sagen Sie dem Kind, es soll versuchen, sein absolut allerschönstes Lächeln zu lächeln und sich dann selbst anschauen. Das Kind wird wissen, ob es ein schönes Lächeln oder bloß ein gewöhnliches Lächeln ist. Je schöner das Lächeln ist, desto stärker wird seine eigene Göttlichkeit zum Vorschein kommen. Ein Erwachsener muß vielleicht beten und meditieren und ein göttliches Bewußtsein entwickeln, aber ein Kind kann dies ganz einfach tun. Wenn ein Kind sein allerschönstes strahlendes Bewußtsein betrachtet, dann sagen Sie ihm, dass es Gott anblickt und niemand anderen.
Wer ist Gott? Gott ist unsere eigene höchste Wirklichkeit. Wenn Sie ein seelenvolles Lächeln schenken können, das Sie selbst und die ganze Welt sofort erhellt, so ist dieses Lächeln nichts anderes als Gott. Lassen Sie das Kind im Bewußtsein seines allerschönsten Lächelns verbleiben, eines Lächelns, das die ganze weite Welt durchstrahlt. Dies ist für ein Kind die Antwort, die es am leichtesten verstehen kann und außerdem die wirksamste und überzeugendste Antwort. Und gleichzeitig ist es absolut wahr. Auf keinen Fall täuschen Sie so das Kind.