Okkulte Kraft
Du hast gesagt, dass die Wesen in den okkulten Welten den Menschen Schaden zufügen könnten. Gibt es tatsächlich Wesen, die das tun oder sind das nur die sogenannten Schwarzmagier?
Sri Chinmoy: Nein, Schwarzmagier sind Menschen, die unter uns auf der Erde leben. Die anderen Wesen sind keine Menschen; es sind Wesen in der vitalen Ebene. Manchmal nehmen sie die Form einer winzigen Ameise an; manchmal nehmen sie eine Form an, die so groß ist wie ein Elefant. Während unseres unbewussten Lebens dringen sie in uns ein und versuchen dann, negative Dinge zu tun. Obwohl die Menschen ein spirituelles Leben führen, dringen durch Eifersucht oder einige anderen Schwächen sehr oft dunkle Kräfte in sie ein. Dann fallen diese Leute in ihrer Spiritualität und können ihre spirituelle Höhe oft erst in einem zukünftigen Leben wieder gewinnen.
Ich dachte, Okkultismus sei etwas wie schwarze Magie. Kannst du mir erklären, was Okkultismus ist?
Sri Chinmoy: Ja. Okkultismus im niedersten Sinne des Wortes ist schwarze Magie. Im reinsten Sinne ist Okkultismus der dynamische Aspekt der göttlichen Kraft, der universellen Kraft. Wenn Okkultismus betrieben wird, um Gottes universelle Harmonie zu zerstören, nennt man das schwarze Magie. Schwarze Magie konzentriert sich vor allem auf die Unreinheit und Dunkelheit unserer Natur. Reiner Okkultismus, wahrer Okkultismus, hat nichts mit schwarzer Magie oder Schwarzmagiern zu tun.
Ich weiß von einer Frau in Miami, die schwarze Magie benützte, um zu veranlassen, dass ihre Schwester ein totes Kind zur Welt brachte. Die Frau hatte die Kraft nicht selber, also ging sie zu einem Schwarzenmagier in Haiti, der diese Kraft benützte. Er schuf unzählige Probleme, indem er okkulte Kraft von Haiti aus benützte. Das Opfer wurde von vielen Leiden gequält, die die Ärzte nicht heilen konnten. Sie wird den ganzen Weg bis nach Haiti gehen müssen, um diesen einfältigen Schwarzmagier zu bitten, ihr aus den Schwierigkeiten herauszuhelfen, in die sie von ihrer eigenen Schwester gebracht worden ist.
In Manhattan hatten wir zwei oder drei Fälle dieser Art schwarzer Magie. Die Schwester eines Schülers ging nach Haiti. Danach konnte ihr Mann nicht mehr gehen; gefüllte Teller fielen ihm aus den Händen und viele andere Dinge geschahen – alle durch okkulte Kraft verursacht. Der Mann kam ins indische Konsulat, um mit mir zu meditieren. Er besuchte mich sogar ein- oder zweimal zu Hause. Er wurde geheilt und ging dann.
In der okkulten Welt kämpfen gewöhnlich Okkultisten wie Hunde und Katzen miteinander. In Wirklichkeit ist es noch viel schlimmer, denn Hunde und Katzen werden wenigstens müde. Gewöhnliche Okkultisten meditieren, erhalten ein wenig Kraft und dann, anstatt dem richtigen spirituellen Pfad zu folgen, benutzen sie ihre Kraft, um anderen Okkultisten deren Kräfte zu stehlen.
Ein schwarzer Magier kann einem spirituellen Menschen, der verwirklicht ist oder spirituelle Kraft hat, nie etwas anhaben. Ein verwirklichter spiritueller Mensch jedoch hat die Macht, die Okkultisten und die schwarzen Magier zu bedrohen, aber gewöhnlich wird er es nicht tun. Wenn ein spiritueller Mensch Okkultismus anwendet, gebraucht er ihn auf göttliche Weise. Wenn jemand von einem ernsthaften Angriff bedroht ist und Gefahr läuft, vom spirituellen Pfad abzukommen oder in seinem inneren oder äußeren Leben einen ernsthaften Unfall zu erleiden, werde ich sofort okkulte Kraft anwenden, falls das Göttliche zu jenem Zeitpunkt will, dass ich das Instrument bin, das dem Betroffenen hilft. Das ist reine okkulte Kraft.
In Indien haben Schwarzmagier viele Male versucht, spirituelle Meister zu bestrafen oder ihre spirituelle Kraft zu zerstören. Das Ergebnis war, dass sie alle ihre schwarzmagischen Kräfte dem spirituellen Meister übergeben mussten. Oft haben Okkultisten versucht, die Kräfte von spirituellen Meistern zu stehlen, die gerade schliefen. Die Meister ruhen nur zwei oder drei Stunden, manchmal schlafen sie überhaupt nicht. Wenn sie das Bewusstsein verlieren, halten sie keine Verbindung mit dem Physischen mehr aufrecht. Während dieser Zeit kann ein Okkultist in den spirituellen Meister eindringen und versuchen, ihm seine spirituelle Kraft wegzunehmen. Aber diese Okkultisten sind Dummköpfe, denn spirituelle Meister werden immer vom Allwissenden und Allmächtigen geführt und beschützt. Die Okkultisten verlieren und müssen ihre ganze okkulte Kraft den spirituellen Meistern übergeben. Dann weinen und jammern die Okkultisten. Einige der ehemaligen Okkultisten sind nun Schüler der spirituellen Meister, die ihnen ihre Kräfte genommen haben. Einige Schwarzmagier, die kamen, um spirituelle Meister zu plagen, verloren ihre bösen ungöttlichen Neigungen und wurden weiße Magier. Sie gingen zu jemanden, der voller Mitleid war – und sie waren gerettet.
Ende des Jahres 1963 kam ein sehr bekannter indischer Muslim-Okkultist von Hyderabad nach Pondicherry. Er war Okkultist, Astrologe und Schwarzmagier zugleich. Ein sehr enger Freund und Bewunderer von mir sagte: "Ich möchte so sehr, dass du diesen Okkultisten besuchst." Ich antwortete: "Ich interessiere mich nicht für Okkultisten. Wenn er ein Okkultist ist, will ich nicht hingehen." Doch mein Freund beharrte eisern auf seiner Bitte und so besuchte ich den Okkultisten in seinem Hotel. Als ich in sein Zimmer ging, blieb ich bei der Türe stehen, während der Okkultist auf einem Stuhl saß. Was er in meinen Augen sah, weiß Gott allein. Aber er war so schockiert, dass er auf den Tisch sank und seine Augen fünf Minuten lang nicht mehr öffnen konnte. Er konnte mir nicht in die Augen sehen. Er weinte und weinte, als ob ihm jemand das Leben gerettet hätte. Dann erhob er sich und kam mit gefalteten Händen zu mir und sagte: "In dieser Stunde meines Lebens bist du gekommen. Gott gab mir okkulte Kräfte, doch ich benutzte sie nur für Frauen und Wein. Ich wandte sie so an, dass die Leute mich schätzen, bewundern und meine Füße berühren würden. Aber in dir sehe ich einen wirklichen Strom spiritueller Kräfte."
Und was machte er anschließend? Er sagte zu mir: "Ich bin es nicht wert, deine Füße zu berühren. Ich berühre deine Füße nur, damit mir vergeben wird, nur damit ich gesegnet werde." Er berührte meine Füße und zeigte seine Ergebenheit auf verschiedenste Weisen.
Wenn ein spiritueller Meister vor einem Okkultisten steht, wird der Okkultist, wenn er ein aufrichtiger Mensch ist, in Tränen ausbrechen. Die Art und Weise, wie er seine Kraft missbraucht hat, wird ihn zum Weinen bringen. Das spirituelle Leben ist von Reinheit und Frieden durchströmt und dieser Frieden und diese Reinheit können leicht all die Gifte der okkulten Welt verschlucken.
Ist es möglich, dass einige Menschen negativen Okkultismus betreiben, ohne es zu erkennen, einfach durch boshaftes Gerede oder andere Dinge?
Sri Chinmoy: Jede Kraft, positiv oder negativ, erschafft automatisch ihre eigene Welt. Jedes Mal, wenn wir einer Idee ihren freien Lauf lassen, erschaffen wir uns unsere eigene Welt. Aber es wäre völlig falsch zu sagen, wir würden allein schon dadurch, dass wir negativ denken, Okkultismus betreiben. Auf der anderen Seite erschaffen wir auch durch positives Denken allein kein höheres spirituelles Leben.
Verneinung und Zerstörung finden fast immer in der vitalen Welt statt, wo wir sehr oft Okkultismus betreiben. Der Wille zur positiven Selbstbehauptung und zur zielgerichteten Enthüllung und Manifestation der eigenen Göttlichkeit entspringt immer der inneren oder psychischen Welt. Wir müssen also wissen, wie wir diese Kräfte benützen und warum wir sie benützen.
Was ist Okkultismus und auf welcher Ebene existieren die okkulten Kräfte?
Sri Chinmoy: Okkultismus ist eine Wissenschaft. Okkultismus ist rein, wenn er in den subtilen physischen oder überphysischen Ebenen praktiziert wird. Einige Leute nennen sie Astralebenen, andere bezeichnen sie als vitale Welt. Doch es ist eigentlich im inneren Vitalen, wo wir die Quelle des Okkultismus sehen können. Die okkulten Kräfte sind die Kräfte unserer verborgenen Natur. Die okkulte Welt ist das subtile Physische sowie das Vitale und das Überphysische.
Wenn man bewusst und absichtlich in die vitale Ebene eintritt, dann wird man als erstes von den vitalen Wesen ergriffen werden. Diese Wesen geben einem häufig mit Freude ein wenig von ihrer okkulten Kraft zum eigenen Gebrauch. Eine Zeit lang werden sie einem erlauben, ihre eigenen okkulten Kräfte zu gebrauchen und dann werden sie versuchen, dich zu beherrschen. Diese Wesen haben unzählige lächerliche Begierden, die sie sich durch den Sucher, den sie mit ihren okkulten Kräften betraut haben, zu erfüllen versuchen.
Wenn ein Sucher echt und aufrichtig ist und er in spiritueller Absicht in die vitalen Ebenen eintritt, während er sein inneres Bewusstsein erweitert, dann besteht keine Gefahr für ihn, denn der Sucher ist in seinem inneren Streben fest. Er will nur die spirituelle Ausdehnung seiner inneren und äußeren Natur und interessiert sich nicht für die sogenannten okkulten Kräfte. Aber ein Sucher, der sich mit der okkulten Welt eingelassen hat, sieht, dass sein Ziel weit weg ist und gleichzeitig entdeckt er, dass er von den Wesen der vitalen Ebene gnadenlos gefangen genommen wurde. Dort ist er verloren, völlig verloren. Es gibt viele, viele Sucher, die ihre spirituelle Reise mit aller Aufrichtigkeit begonnen haben, auf ihrem Weg jedoch von den okkulten Kräften in den Bann gezogen wurden und ihr Ziel nicht erreichen konnten.
Würde man es als eine Form von psychischer Kraft bezeichnen, wenn man die Fähigkeit hat, mit seinem Meister ohne das gesprochene Wort zu kommunizieren?
Sri Chinmoy: Um mit seinem Meister in Verbindung zu treten, braucht man keine psychische Kraft. Das geschieht durch Ergebenheit, durch inneres Vertrauen. Wo ist dein Meister? Du bist hier in Puerto Rico und du sagst dir vielleicht, dein Meister sei in New York. Doch nein! Er ist tief in deinem Herzen, tief in den innersten Bereichen deines Herzens. Wenn du einmal mit deinem Meister in Verbindung treten willst, dann gehe einfach in dich und ergründe die Tiefen deines Herzens und dort wirst du ihn finden.
Psychische Kräfte sind nicht erforderlich, nur Ergebenheit und Vertrauen. Wenn man Ergebenheit hat, ist der Meister oder derjenige, zu dem man betet, stets zur Verfügung. Sri Krishna, Indiens bedeutendster spiritueller Meister, sagte: "Für Gott ist es einfach, einem Schüler Kraft, Licht, Seligkeit und alle anderen göttlichen Eigenschaften zu geben. Aber wenn er dem Schüler Ergebenheit gibt, was auch eine göttliche Segnung ist, dann ist Er gefangen. In dem Augenblick, wo der Schüler Ergebenheit erhält, kann der Schüler sicher sein, dass sein Meister sein vollkommener Sklave geworden ist. Wahrhaft ergebene Menschen sind sehr, sehr selten in dieser Welt. Aber Menschen des Wissens und der Weisheit, Menschen des Lichts oder Menschen des Friedens findet man sehr oft."
Sri Krishna hatte einen sehr nahestehenden Schüler namens Vidhura, der sehr, sehr arm war. Eines Tages besuchte Sri Krishna Vidhuras Haus. Vidhura konnte ihm keinen Reis oder ein anderes richtiges Essen anbieten, deshalb servierte er Sri Krishna eine sehr einfache Mahlzeit auf Bananenblättern. Sri Krishnas Herz schwamm im Meer der Verzückung und Wonne. Was tat er? Zuerst aß er das Mahl, dann aß er das Bananenblatt. Vidhura fragte: "Meister, was machst du da? Du isst ja das Bananenblatt. Das ist nicht zum Essen!" Sri Krishna sagte: "O Vidhura! Wie kann ich dein Essen vom Bananenblatt unterscheiden? Wie kann ich deine Ergebenheit von deiner Existenz unterscheiden? In deiner Mahlzeit sehe ich Ergebenheit, in deinem Körper sehe ich Ergebenheit, in deinem Herzen sehe ich Ergebenheit, in deinem Bananenblatt sehe ich Ergebenheit. Was immer ich mit dir, um dich und in dir sehe, ist reine Ergebenheit. Ich kann das Mahl nicht besser vom Blatt unterscheiden, als ich deine Seele von deinem Körper unterscheiden kann." Das also geschieht, wenn man Gott, dem Höchsten, gegenüber wahre Ergebenheit besitzt. Gott steht einem stets zur Seite.
Ich möchte nun etwas über den Glauben sagen. Ihr habt sicher alle vom Ganges gehört, dem heiligsten Fluss Indiens. Man sagt, dass jeder, der kurz im Ganges untertauche, von all seinen Sünden befreit sein werde. Das Jahr über könne man alle Arten von Sünden begehen, doch wenn man in den Fluss steige, würden all diese Sünden verschwinden. Das ist unser indischer Glaube.
Einmal fragte Parvati ihren Gatten, den kosmischen Gott Shiva: "Ist es wahr, dass alle Sünden augenblicklich verschwinden werden, wenn man einmal kurz im Ganges taucht? Haben die Leute einen so starken Glauben?"
Shiva antwortete ihr: "Ich führe dir das am besten einmal vor. Komm, wir beide nehmen menschliche Form an und setzen uns an das Ufer des Ganges. Ich werde ein alter Mann von achtzig Jahren und du wirst eine Frau von siebzig. Du wirst ein Baby auf deinem Schoß halten und ich werde dem Baby das Leben nehmen. Darauf wirst du bittere Tränen vergießen und klagen, dass wir unser eigenes Kind verloren haben. Dann werden viele kommen, um dich zu trösten und du wirst sagen: "Wenn mein Sohn von jemandem gesegnet wird, der glaubt, er habe keine Sünden mehr, wird er wieder zum Leben erwachen."
So nahmen sie menschliche Form an und setzten sich ans Ufer des Ganges. Hunderte waren gekommen, um im Fluss zu schwimmen und zu baden. Parvati sagte: "Ihr alle hier wisst, dass eure Sünden nicht länger als bis zu dem Augenblick existieren, wo ihr in den Ganges steigt. So geht und taucht in den Ganges und dann segnet mein Kind und es wird wieder zum Leben erwachen." Hunderte von Leuten gingen vorbei, aber niemand wollte es tun. Sie waren bereit, zu schwimmen, sie waren bereit, in den Ganges zu tauchen oder stundenlang im Ganges zu baden, aber sie wussten, das es auf das Kind keine Wirkung haben würde. Sie würden das Kind berühren, doch es würde nicht ins Leben zurückkehren.
Dies ging stundenlang so weiter. Schließlich sahen die Herumstehenden, wie ein Mann mittleren Alters sich der Frau, die ihr einziges Kind verloren hatte, näherte. Dieser Mann war gerade aus einer Bar gekommen. Er roch sehr unangenehm und war nach indischen Normen, was man ‚charakterlos" nennen würde. Der Mann kam zu ihr und fragte: "Warum weinst du?" Sie sagte: "Ich weine, weil niemand kommt um mein Kind zu segnen, obwohl hier jeder weiß, dass sie von all ihren Sünden reingewaschen sind und mein Kind ins Leben zurückbringen können, sobald sie in den Ganges getaucht sind."
"Deshalb weinst du? Ich habe den Glauben. Lass mich gehen." Er sprang in den Ganges und kam nach einigen Minuten zurück und berührte das Kind. Augenblicklich erwachte das Kind wieder zum Leben. Dann sagte Shiva: "Schau! Von Tausenden von Leuten hatte nur ein Mensch den Glauben an den Ganges!" Und damit verschwanden Shiva, Parvati und das Kind.
Wir sagen sehr oft, dass wir Vertrauen hätten, doch wir täuschen uns nur selbst. Dieser Mann führte kein spirituelles Leben, aber er wusste, dass der Ganges vom Himalaya kommt. Alle spirituellen Meister Indiens hegen große Bewunderung für den Himalaya und die meisten vedischen Seher Indiens meditierten in den Höhlen des Himalayas. Dieser Mann besaß einen grenzenlosen Glauben an den Ganges. Die meisten von uns wären wohl zum Ganges gegangen, hätten es aber nicht gewagt, das Kind zu berühren, denn niemand wird gerne ausgelacht. Wenn es um das praktische Leben geht, werden die meisten von uns versagen. Und fast alle, die gekommen wären und das Kind berührt hätten, wären erfolglos geblieben, weil der wahre Glaube an den Ganges gefehlt hätte. Aber jener Mann hatte den Glauben an den Ganges. Wenn wir wahren Glauben an Gott haben, brauchen wir nicht vierundzwanzig Stunden am Tag zu meditieren; schon ein paar Minuten werden es tun. Wenn wir jenen seelenvollen Glauben an Gott haben, nimmt sich Gott unser an.
Ist es wahr, dass psychische Kräfte in Yogis sich nicht spontan entwickeln oder manifestieren, sondern durch Übungen und andere Mittel entwickelt werden müssen?
Sri Chinmoy: Es gibt sieben größere psychische Zentren in unserem Körper. Diese Zentren sind nicht im physischen, sondern im subtilen Körper. Am Scheitel des Kopfes befindet sich ein Zentrum mit dem Namen sahasrara, der tausendblättrige Lotus. Zwischen und etwas über den Augenbrauen ist der Ort der inneren Schau, das ajna chakra. An der Basis der Kehle ist das Chakra für Sprache und äußerer Ausdruck, wir nennen es vishuddha. Und im Zentrum der Brust haben wir anahata, das Herz-Chakra. Viele Leute erhalten ihre psychische Kraft vor allem von hier. Beim Nabel haben wir das manipura Zentrum. In der Bauchgegend gibt es noch ein weiteres Zentrum, svadhisthana. Weiter unten, an der Basis der Wirbelsäule, haben wir ein chakra mit dem Namen muladhara. Muladhara, svadhisthana, manipura, anahata, vishuddha, ajna und sahasrara: das sind die sieben Chakras.
Wenn sich ein Sucher bewusst oder unbewusst auf diese psychischen Zentren konzentriert, entwickelt er psychische Kräfte. Er braucht den wirklichen Namen des Zentrums nicht zu wissen; wenn er sich auf den richtigen Ort konzentriert, erlangt er automatisch etwas intuitive Kraft. Um die Chakras zu öffnen und die Kundalini in Funktion treten zu lassen, muss man sich auf jedes Chakra konzentrieren. Du brauchst nur dieses Mantra so und soviel Mal zu wiederholen und dann wirst du psychische Kräfte erhalten. Dies geschieht sogar im Fall der Verwirklichung. Die meisten Leute verwirklichen Gott, indem sie ein spirituelles Leben führen, aber es gibt auch Leute, die überhaupt kein spirituelles Leben zu führen brauchen. In einem Traum tritt Gott in den Menschen ein und erleuchtet sein Bewusstsein und alle, welche die spirituelle Schau besitzen, werden sehen, dass er befreit und verwirklicht ist.
Ebenso ist es nicht immer notwendig, bewusst nach psychischen Kräften zu schreien. Wenn man ein Yogi wird, öffnen sich die Zentren oft spontan und psychische Kräfte kommen ganz von selbst. Selbst wenn man sich nicht um psychische Kräfte kümmert, kommen sie gewöhnlich, wenn man sich schnell, sehr schnell seinem Ziel nähert. Wenn die okkulten Kräfte als ein Segen kommen und einen nicht daran hindern, die innere Göttlichkeit zu manifestieren, dann sind sie nicht schädlich. Aber wenn sie einem als Plage oder als Hindernis im Weg stehen, wenn sie den Betreffenden in Versuchung führen und ihn dazu veranlassen, seine Geschwindigkeit zu verlangsamen oder von seinem Pfad abzuweichen, dann muss man sie tapfer von sich weisen und sich darauf konzentrieren, zuerst sein Ziel zu erreichen.
In Indien gibt es Fakire mit solchen Kräften. Widmen sie sie den guten Prinzipien des Yoga oder benützen sie diese Kräfte, um Geschäfte zu machen?
Sri Chinmoy: Es gibt in der Tat etliche, die vom Pfad der Wahrheit abgewichen sind. Für die Betreffenden ist psychische Kraft genau gleich wie schwarze Magie. Sie dient keinerlei spirituellen Zwecken. Wenn jemand krank ist und Gott sagt zu dir, du sollst diesen Menschen gesund machen oder wenn jemand in unmittelbarer Gefahr schwebt und Gott will, dass du diesen Menschen rettest, dann solltest du diese psychischen Kräfte benützen. Aber psychische Kräfte sollten nur benützt werden, wenn es von Gott verlangt oder erlaubt wird. Die meisten Leute in Indien und an anderen Orten, die diese Kräfte brauchen, benützen sie nicht in Übereinstimmung mit Gottes Willen. Sie befriedigen nur ihren eigenen Stolz, ihre Eitelkeit und ihr Ego. Sie wenden sich gegen das Gesetz Gottes. Dabei begehen sie einen großen Fehler und die Bestrafung in ihrem nächsten Leben wird sehr hart sein.
Sind psychische Kräfte ein Vorteil oder eher eine Art Hindernis auf dem Weg zur Selbstverwirklichung?
Sri Chinmoy: Psychische Kräfte helfen uns in keiner Weise dabei Gott zu verwirklichen. Aber psychische Kräfte können, sollen und müssen benützt werden, wenn es der Wille des Göttlichen ist – aber erst, nachdem uns Gott Selbstverwirklichung geschenkt hat. Einer der großen indischen spirituellen Meister, Sri Ramakrishna, betonte, dass die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung zerstört würde, wenn man psychische Kräfte erlange. "Du wirst deine psychischen Kräfte erhalten, aber Gott wird dir verborgen bleiben", pflegte er zu sagen.
Wer ist der Besitzer aller Kräfte? Gott. Sobald wir mit dem Besitzer eins werden, ist all Sein Besitz unser. Aber wenn wir uns nicht um den Besitzer kümmern, sondern nach dem Besitz schreien, dann wird uns das Erringen dieses Besitzes auf unserer Reise zum letzten Ziel behindern.
Es ist ein echter Segen vor der eigentlichen Verwirklichung keine psychischen Kräfte zu erlangen. Wenn wir sie zu früh erhalten, werden wir die ganze Zeit in der Welt des Zur-Schau-Stellens, in der Welt der Wunder, in der Welt der Magie verbleiben und nicht in der Welt der Strebsamkeit, der Hingabe und der Verwirklichung.
Ramakrishnas bester Schüler – der ursprünglich Naren genannt wurde – wurde einst von seinem Meister gefragt: "Naren, ich habe mich während vieler Jahre der Askese unterzogen. Nun schau mich an – ich besitze all diese hohen Siddhis. Möchtest du sie? Du brauchst nicht dafür zu meditieren, denn ich habe es bereits für dich getan. Ich werde dir alle meine Kräfte geben." Naren fragte: "Werden sie mir bei meiner Selbstverwirklichung helfen?" Der Meister erwiderte: "Mein lieber Naren, nein. Nein, das werden sie nicht. Für die Selbstverwirklichung sind psychische Kräfte wertlos. Aber wenn du willst, kannst du sie nach der Selbstverwirklichung gebrauchen. Und wenn du diese psychischen Kräfte hast, werden sich die Leute natürlich um dich scharen und du wirst Gott in der Menschheit besser dienen können." Der Schüler sagte: "Nein, danke. Lass mich zuerst Gott verwirklichen. Dann erst will ich daran denken, diese psychischen Kräfte zu erlangen." Da segnete Ramakrishna seinen liebsten Schüler vor seinen anderen Schülern aus tiefstem Herzen und sagte: "Ich wusste es. Nur du kannst meine Prüfung bestehen. Hätte ich die gleiche Frage an jemand anderes gerichtet, hätte er gierig geantwortet: ‚Ja, ja, bitte gib mir diese Kräfte. Das ist so gütig von dir.’ Aber ich wusste, dass dein Herz absolut rein ist. Du willst Gott, Gott allein."
Mir wurde gesagt, dass ich im Begriff sei, psychische Kräfte zu entwickeln. Soll ich unter diesem Gesichtspunkt weiterhin spiritistische Zentren besuchen?
Sri Chinmoy: Ich möchte dir offen sagen, dass es in deinem Fall nicht weise wäre, diese psychischen Fähigkeitenzum jetzigen Zeitpunkt zu entwickeln. Warum? Weil ich in deinen Augen sehen kann, dass du ein sehr aufrichtiger Mensch bist. Du solltest dich nicht mit diesen psychischen Kräften zufrieden geben. Deine Seele will weiter gehen. Es gibt Menschen, welche nicht das innere Streben besitzen, zum Höchsten, zum Letzten zu gehen. Sie geben sich mit sehr wenig psychischer Kraft zufrieden und wollen nicht weitergehen. Es ist möglich, dass ich gewissen Menschen rate, ihre psychischen Kräfte zu entwickeln. Aber in deinem Fall ist es anders; wenn du diese Fähigkeit entwickelst, wird sie dir im Wege stehen und du wirst nicht weiter gehen und das Letzte in deinem Leben erringen können. Nun, du musst die Wahl treffen, ob du dich mit einem Zuckerstängel zufrieden geben willst oder ob du auf die unendliche Wahrheit, auf den unendlichen Schatz des Allmächtigen warten möchtet.
Wenn du gewisse psychische Fähigkeiten besitzt, wirst du nur noch versuchen, diese Fähigkeiten anzuwenden und dich in sie verlieben. Sehr oft geben sich Leute, die ein wenig psychische Fähigkeit, psychische Kraft erhalten, damit zufrieden und versuchen dann, sie bei dieser und jener Person anzuwenden, ob es nun angebracht ist oder nicht. Es ist wie bei einem Kind, das einige faszinierende Spielzeuge hat und die ganze Zeit damit spielt. Es wird seine Schulaufgaben nicht machen und ein Dummkopf bleiben. Wenn das Kind aufrichtig oder ernsthaft ist und Wert auf seine Studien legt, wird es aufhören zu spielen und anfangen, seine Aufgaben zu machen, weil es weiß, dass es lernen muss, um ein gebildeter Mensch zu werden.
Eine andere Gefahr, die mit diesen psychischen Fähigkeiten verbunden ist, besteht darin, dass man von Geistern gefährdet wird. Jene, die psychische Fähigkeiten entwickeln, sind möglicherweise spirituell oder okkult nicht sehr stark. Die psychischen Fähigkeiten kommen von der psychischen Welt. Sie sind sehr subtil, sanft und zart. Sehr oft werden sie von okkulten Kräften gefährdet, die manchmal wild, dynamisch, arrogant und zerstörerisch sind. Die hungrigen, unbefriedigten Geister werden versuchen, in die psychischen Fähigkeiten des Strebenden einzudringen und ihn seines ganzen inneren Strebens zu berauben, das er hatte, bevor er auf seiner spirituellen Reise anhielt, um seine psychischen Kräfte zu entwickeln. Aber wenn man wirklich spirituellen Fortschritt macht, inneren Fortschritt, ohne sich um die psychischen Fähigkeiten zu kümmern, wird man am Ende seiner Reise, nachdem man Gott verwirklicht, zweifellos all diese Kräfte besitzen.
Man wird nie der Verlierer sein, wenn man diesen psychischen Fähigkeiten keine Beachtung schenkt, weil sie sich automatisch in uns entwickeln werden, wenn sich während einer Meditation alle Zentren öffnen. Um diese Art von Meditation zu erreichen, muss man zu einem gottverwirklichten spirituellen Meister gehen, der einem individuell lehren und einem auch vor Angriffen der falschen Kräfte beschützen kann.
Kannst du bitte erklären, was psychische Kraft ist und wie sie sich von spiritueller Kraft unterscheidet?
Sri Chinmoy: Psychische Kraft ist gewöhnlich jene Kraft, die ein Kind aufgrund seines vollständigen und ständigen Einsseins mit seinen Eltern hat. Es beansprucht den inneren Besitz seiner Eltern ganz als sein eigen. Man braucht wohl nicht extra erklären, dass dieser Anspruch wohl begründet ist. Auch die Eltern freut es ungemein, wenn sie sehen und beobachten, dass ihr Kind bei seiner Entfaltung und Manifestation ganz auf sie angewiesen ist. Psychische Kräfte sind nicht unbezwingbar. Sie können von ungöttlichen Kräften angegriffen werden, was tatsächlich auch oft geschieht. Doch Gott stellt sich immer auf die Seite des psychischen Wesens, das die psychische Kraft verkörpert und rettet das psychische Wesen.
Selbstverständlich kann das psychische Wesen mit seiner psychischen Kraft schließlich zu einem sehr mächtigen und sehr erfüllenden Wesen heranwachsen. Da sich das psychische Wesen stets weiterentwickelt, ist das schrittweise Heranwachsen der psychischen Kraft nicht nur möglich, sondern unausweichlich. Die Manifestation von psychischer Kraft ist eine subtile, zarte, sanfte und leuchtende Weise der göttlichen Manifestation in fortgeschrittenen Suchern. Mit psychischer Kraft kann ein Mensch Wunder vollbringen. Mit dieser Kraft erlangt man die Fähigkeit, sich mit der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft von anderen wie auch von sich selbst zu identifizieren und sie dadurch zu sehen. Da sie eine Manifestation göttlicher Kraft ist, ist die psychische Kraft von großer Schönheit wie die Schönheit einer Blume oder die Schönheit des Mondes. Diese psychische Schönheit selbst ist eine greifbare Kraft.
Vereinfacht gesagt ist die psychische Kraft die Kraft eines Kindes, obwohl diese Kraft durch ihr intimstes Einssein mit der Quelle grenzenlos werden kann. Spirituelle Kraft ist die Kraft eines Erwachsenen, obwohl er sie vielleicht nicht jederzeit weise benützt. Okkulte Kraft ist die Kraft einer plötzlichen, mächtigen Welle. Spirituelle Kraft ist gewöhnlich nicht so schnell wie okkulte Kraft. Aber okkulte Kraft bricht oft nieder, statt aufzubauen. Spirituelle Kraft legt immer großen Wert darauf, den Palast der Wahrheit langsam, stetig, unbeirrbar und auf überzeugende Weise zu bauen.
Was immer spirituelle Kraft tut, ist solide, stabil und dauerhaft. Spirituelle Kraft besitzt die Zuversicht von innen und die Versicherung von Oben. Um die vollständige Manifestation des Göttlichen auf der Erde, um den Absoluten zu erreichen, müssen sich alle psychischen und okkulten Kräfte unter die Führung der spirituellen Kraft stellen.
Entgeht uns etwas, wenn wir uns in der okkulten Welt nicht entwickeln?
Sri Chinmoy: Es entgeht uns nichts, denn die spirituelle Welt ist es, die uns unsere höchste Verwirklichung geben wird. Wenn wir in der inneren Welt, der spirituellen Welt leben, dann erhalten wir automatisch den unschätzbaren Reichtum dieser spirituellen Welt. Ebenso werden wir erkennen, dass die okkulten Kräfte und all die anderen Kräfte dort ihren Ursprung haben. Es entgeht uns also nichts, wenn wir uns nicht auf die okkulte Welt konzentrieren.
Warum misst du okkulten Kräften nicht soviel Bedeutung zu wie Gorakshanath und andere?
Sri Chinmoy: Du hast schon vieles über die okkulten Kräfte gehört. Doch ich will dem noch hinzufügen, dass die okkulte Kraft nur mit einer Welle vergleichbar ist, sagen wir einer großen Welle, während die spirituelle Kraft wie der Ozean selbst ist. Wie könnte eine Welle, ganz gleich wie mächtig sie auch ist, stärker oder friedvoller als der Ozean selbst sein? Gorakshanath stellte seine okkulte Kraft zur Schau und vollbrachte viele Wunder. Doch auf der äußeren Ebene endete es sehr oft mit Zerstörung. Er hatte aber auch die Fähigkeit, seine okkulten Kräfte auf eine positive Weise zu nutzen. Zuerst zerstörte er jemanden und dann erweckte er ihn wieder zum Leben. Er tat alles mögliche!
Letzten Endes erkannte er aber, dass er aufhören musste, die okkulten Kräfte ständig nach seinem eigenen süßen Willen anzuwenden, und dass er all seine Aufmerksamkeit der Verwirklichung Gottes widmen musste. Also trat er in den letzten dreißig oder vierzig Jahren seines Lebens, die er in den Höhlen des Himalajas verbrachte, in tiefe Meditation ein, nachdem er so lange Zeit die okkulten Kräfte angewandt hatte. In dieser Zeit gelangte er zu der Überzeugung, dass die okkulte Kraft nicht mehr als ein Jonglierakt oder eine Zaubershow ist. Man kann sie mit einem Feuerwerk vergleichen – sie steigt auf und ist dann vorbei. Also hörte er auf, okkulte Kräfte anzuwenden und widmete sich ausschließlich der spirituellen Kraft und der Kraft der Meditation. Spirituelle Kraft ist unendlich mächtiger als okkulte Kraft, und sie ist immer konstruktiv.
In Nepal kann man einige der Höhlen besuchen, in denen Gorakshanath meditierte. In diesen Höhlen ist es seine Meditationskraft, die man fühlen kann, nicht seine okkulte Kraft. Durch die Meditation entwickelte er Vergebung und erlangte enormen Frieden. Als dann die Menschen nicht auf ihn hörten, vergab er ihnen einfach, anstatt sie mit seiner okkulten Kraft zu zerstören und wieder zum Leben zu erwecken. Er trat einfach wieder in seine eigene Meditation ein und wurde mit Frieden überflutet. Nur durch die Meditation kann man Frieden erhalten, nicht durch die okkulte Kraft.
Kannst du den Unterschied zwischen spiritueller Kraft und okkulter Kraft erklären?
Sri Chinmoy: Spirituelle Kraft ist sehr weit und leuchtend. Sie dehnt ständig sowohl das Endliche als auch das Unendliche aus. Wenn etwas klein ist, dann wird es durch die spirituelle Kraft größer. Wenn etwas bereits sehr groß ist, wird es durch die Spiritualität noch größer. Okkulte Kraft ist von anderer Art. Man kann sagen, sie sei eine direkte, zielgerichtete, unmittelbare Kraft – sehr scharf, wie die Schneide eines Schwertes.
Wenn man spirituelle Kraft anwendet, ist alles voller Frieden, voller Harmonie. Wenn bei uns jemand spirituelle Kraft anwendet, fühlen wir eine dynamische Kraft, die jedoch gleichzeitig frei von Aggression ist. Es ist, wie wenn man auf das Meer schaut, wenn es ruhig und still ist. Wenn es Wellen schlägt und schäumt, hat man Angst. Doch wenn das Meer ruhig ist, haben wir keine Angst. In beiden Fällen ist die gleiche Kraft vorhanden. Wenn man in das Bewusstsein des Meeres eintritt, so sieht man, dass es gewaltige, grenzenlose Kraft hat. Spirituelle Kraft ist ruhig und besitzt eine unendliche Ausdehnung wie ein ruhiges Meer ohne jede aggressive Bewegung. Doch sie besitzt solide Stärke – dynamische, solide Kraft.
In der okkulten Kraft hingegen besteht eine Art Bewegung, die fast immer rastlos ist. Ein Kind hat Kraft, ein Erwachsener hat ebenso Kraft. Die Kraft eines Kindes ist immer dabei zu enthüllen oder zu manifestieren; das Kind möchte seine Kraft ständig ausdrücken. Eine erwachsene Person hingegen weiß, dass sie Kraft hat und sie auch nach Belieben anwenden kann und hat deshalb kein Bedürfnis, sie ständig auszudrücken. Ein Mensch mit okkulter Kraft hat selten Frieden, wohingegen ein Mensch mit spiritueller Kraft von Frieden überschwemmt ist. Ein Mensch mit okkulten Kräften macht eine gewaltige äußere Schau aus seinem Okkultismus; ein Yogi mit spiritueller Kraft versucht innerlich das Gesicht der Welt zu verändern.
Okkulte Kraft wird sehr oft in negativer Weise angewendet. Die Kraft des Okkultismus ist der eines alles verschlingenden Raubtieres sehr ähnlich. Wenn die Menschen okkulte Kraft nicht auf weise Art anwenden, führt sie nur zur Zerstörung. Sie kann nur dann positiv wirken, wenn sie von einem spirituellen Meister gelenkt wird. Okkulte Kraft zu besitzen ist wie auf einem Drahtseil zu gehen – sehr gefährlich und riskant. Spirituelle Kraft zu haben ist wie auf einer gepflasterten Straße zu wandern, wo keine Gefahr besteht. Wenn man sowohl spirituelle als auch okkulte Kraft besitzt, dann gibt es ebenfalls keine Schwierigkeiten oder Gefahren. Spirituelle Kraft befähigt uns dazu erfolgreich zu sein – langsam, stetig und unbeirrbar. Wir werden unfehlbar tun können, was wir uns vorgenommen haben. Mit okkulter Kraft können wir etwas sofort und direkt tun – falls wir sie richtig verwenden. Wenn die große Geschwindigkeit des Okkultismus das Bedürfnis empfindet, sich dem Weisheitslicht der spirituellen Kraft unterzuordnen, dann ist Okkultismus ein wirklicher Segen der Menschheit. Es ist eine echte Gunst von Gott, denn die Menschheit besitzt keine Geduld, sie will alles augenblicklich erhalten. Aber wenn sich der Okkultismus gegen die spirituelle Kraft stellt, dann verneint er die Wahrheit selbst. Wenn er die Wahrheit verneint, erzeugt er in der Menschheit und für die Menschheit Zerstörung.
Wenn man Okkultismus ausüben will, um das Bewusstsein der Menschheit aufzuwecken, dann muss man zuerst die Angst besiegen; die physische, vitale, mentale und psychische Angst. Wenn man Okkultismus ausüben will, um dem Höchsten, um der Gottheit in der Menschheit zu dienen, muss man das niedere Vitale, das wir Sexualität nennen, besiegen. Dieser unreine, unerleuchtete Drang in unserer menschlichen Natur muss völlig überwunden werden. Wenn man die Einsicht erlangen kann, dass man in diesem flüchtigen Leben ein ewiges Leben führt, können Unendlichkeit, Ewigkeit und Unsterblichkeit, die man in seinem Wesen oder in seinem Bewusstsein errungen hat, dazu gebraucht werden, der Menschheit auf göttliche Weise zu dienen. Wenn wir soweit sind, wird die okkulte Kraft ein wirklicher Segen sein. Ich möchte, dass meine Schüler, die sich für okkulte Kräfte interessieren, sich folgendes einprägen: Zuerst Spiritualität und dann Okkultismus, zuerst die Gottheit und dann die Menschheit. Nur wenn man die Gottheit kennt und in der Gottheit verbleiben kann, kann man der Menschheit dienen. Manifestation ohne Verwirklichung ist überhaupt keine Manifestation. Es ist wie ein Körper ohne Leben.
Wenn ich das Ziel einmal erreicht habe und zum Ziel geworden bin, dann ist alles in meinem Inneren. Nichts kann mich stören, nichts kann mich zerstören, nichts kann mich irgendwie beeinträchtigen. Ich kann alles in Gottes Schöpfung sehen, fühlen und annehmen. Der verwirklichte Mensch ist in der Lage, sowohl mit spiritueller als auch mit okkulter Kraft umzugehen. Nachdem man die Wahrheit verwirklicht hat, muss man alle Ebenen einschließlich der okkulten zu Hilfe ziehen, während man die Wahrheit auf der Erde manifestiert.
Die Spiritualität ist dem Okkultismus weit überlegen. Das okkulte Gebiet und die okkulte Praxis sind auch Teil von Gottes Schöpfung. Doch wir müssen nicht durch das Okkulte hindurch, wenn wir Gottverwirklichung wollen. Wenn man Gott und Gott allein will, dann finden wir im Okkultismus keine Hilfe für die Gottverwirklichung. Spiritualität hingegen ist absolut notwendig, um Gott zu verwirklichen.
Ein wahrer spiritueller Sucher sollte sich überhaupt nicht um Okkultismus kümmern. Auf seinem Weg zum Höchsten kommt die okkulte Kraft manchmal von selbst zu ihm als Prüfung, um zu sehen, ob er sich davon beeindrucken lässt und der Welt seine Fähigkeit, Wunder zu vollbringen, zeigen will oder ob er sie sachgemäß und göttlich anwendet. Bei einem Strebenden, der an der Schwelle zur Verwirklichung steht, kommen manchmal Kräfte von verschiedenen Ebenen zu ihm und berühren seine Füße. Sie sagen: „Meister, benütze uns. Wir stehen dir zu Diensten. Wir werden keinen Unsinn anstellen. Benütze uns allein zur Erfüllung deiner Verwirklichung.“ Dies war bei einer Reihe von spirituellen Meistern der Fall. Auch euer Meister ist einer von ihnen.
Ich habe viele, viele Male okkulte Kraft verwendet, aber nur, wenn ich vom Höchsten in mir darum gebeten wurde. Wenn ich sie gebrauche, dann nur, um innerlich zu helfen. Es widerstrebt mir, meine okkulte Kraft äußerlich zu gebrauchen, denn ich würde falsch verstanden werden. Auch werde ich sie nie verwenden, um jemanden zu strafen oder zu plagen. Okkulte Kraft ist sehr dynamisch, doch die Menschen interessieren sich meist kaum für ihre Dynamik. Stattdessen bedienen sie sich ihrer Aggression und benützen diese aggressive Kraft, um andere zu schädigen oder um ihre persönlichen Wünsche zu befriedigen.
Okkulte Kräfte sind nicht an und für sich schlecht. Gewisse Leute sagen, wenn jemand okkulte Kräfte erhalte, würde er andere irreführen und sich selbst ruinieren. In Indien gibt es spirituelle Leute, die sich überhaupt nicht für okkulte Kräfte interessieren. Aber diese Kräfte sind nicht an und für sich schlecht; es kommt nur darauf an, wie man sie anwendet. Wenn man Feuer hat, kann man sich daran verbrennen oder kann es benutzen, um ein Essen zuzubereiten. Wenn man ein Messer besitzt, kann man jemanden erstechen oder es dazu benützen eine schöne Statue zu schnitzen. Bis zu einem gewissen Grad ist es wahr, dass man nichts Schlechtes tun kann, wenn man kein Messer hat. Aber es gibt unzählige gute Dinge, die man ebenfalls nicht tun kann. Wir sind es, die die okkulten Kräfte auf eine weise Art gebrauchen müssen, wenn wir sie geschenkt bekommen.
Einige spirituelle Meister in Indien raten ihren Schülern, sich überhaupt nicht um okkulte Kräfte zu kümmern, sondern zuerst ein spirituelles Leben zu führen. Sie sagen, so erlange man spirituelle Kraft, die nie Probleme schaffen könne. Spirituelle Kraft hat von Natur aus nicht die aggressive oder destruktive Eigenschaft der okkulten Kraft. Doch selbst spirituelle Kraft kann missbraucht werden, wenn man nicht auf die Weisungen seines inneren Wesens oder des Höchsten hört.
Es gibt auch spirituelle Sucher, die Spiritualität und Okkultismus zusammen ausüben. Sie sagen, während des Tages solle man sich der Spiritualität widmen und während der Nacht dem Okkultismus – Spiritualität und Okkultismus sollten Seite an Seite gehen. Dieser Pfad ist ein wenig gefährlich. Viele haben es versucht und den meisten ist es misslungen, die beiden miteinander in Einklang zu bringen Der sicherste und wirksamste Pfad besteht darin, den spirituellen Weg einzuschlagen und sein eigenes Bewusstsein in die Unendlichkeit und in die Ewigkeit auszuweiten. Hat man das erreicht, wird man auch über die okkulte Welt volle Meisterschaft haben.
Wenn ein spiritueller Meister die Fähigkeit besitzt, spirituelle Kraft zu gebrauchen, dann fragt ihr euch vielleicht, euch vielleicht, ob er auch fähig ist, okkulte Kraft anzuwenden ohne einen Fehler zu begehen. Die Antwort ist nein. Wenn ein spiritueller Meister spirituelle Kraft anwendet, benützt er sie normalerweise richtig. Aber wenn er okkulte Kraft anwendet, so missbraucht er sie nicht eigentlich – er weiß oft einfach nicht, wie man mit ihr umgeht. Es gibt einen gewaltigen Konflikt zwischen spiritueller und okkulter Kraft, wenn der betreffende Meister kein Meister höchsten Ranges ist. Was tut ein solcher Meister in diesem Fall am besten? Er sollte seine okkulte Kraft völlig beiseite schieben. Er sollte sagen: „ Ich will sie nicht. Sie ist zu gefährlich. Ich will nur spirituelle Kraft benützen, die ein unendliches Meer von Licht und Seligkeit ist. Dieses Licht und diese Seligkeit sind völlig ausreichend für mich.
Wenn ihr neben eurem wirklichen inneren Streben und Meditieren nur ein wenig Kundalini Yoga betreibt – sagen wir fünfzehn Minuten täglich – werden ihr bemerken, dass sich eure psychischen oder okkulten Zentren öffnen. Aber wenn ihr nur deshalb in das innere Leben eintretet, um okkulte Kräfte zu erlangen, so dass ihr der Welt eure Fähigkeiten zeigen könnt, dann wird die wirkliche Spiritualität in eurem Leben nie aufblühen. Wenn ihr euer Herzzentrum öffnen und Wunder vorführen wollt, so dass die Menschen euch würdigen und bewundern und wenn ihr der Annahme seid, ihr würdet von ihrer Würdigung und Bewunderung mehr Inspiration erhalten, dann, möchte ich euch sagen, begeht ihr einen Fehler. Wenn ihr auf anderen Gebieten etwas tut und dann in den Himmel gelobt werdet, inspiriert euch das möglicherweise dazu, es besser zu machen. Wenn ihr ein wenig von eurer okkulten Kraft vorführt und andere euch würdigen, dann kann ich euch versichern, dass euch das zu Fall bringt. Ihr werdet euch nicht inspiriert fühlen, im Gegenteil, statt tief in euch zu gehen, um wirkliche Verwirklichung zu erlangen, werdet ihr weitermachen und eure okkulten Kräfte vermehren. Okkulte Kräfte sind reine Versuchung.
Je mehr okkulte Kraft ihr zur Schau stellt, desto schneller werdet ihr sie verlieren, weil ihr euch nicht mit der Quelle vereinen könnt. Die Quelle der okkulten Kraft ist Licht. Recht spärliches Licht zwar, aber dennoch reinstes Licht. Darum sage ich immer, dass man mit spirituellem Licht umgehen sollte, wenn man schon mit Licht umgehen will. Es macht nichts, wenn dieses Licht begrenzt ist. Es wird keine Gefahr heraufbeschwören. Man bekommt vielleicht Kopfschmerzen, wenn man zu viel Licht herabzieht, aber es wird einen nicht zerstören. Selbst wenn man zu viel spirituelle Kraft herunterbringt, so dass man sie gar nicht aufnehmen kann, wird sie einen nicht völlig zerstören. Aber wenn man zu viel okkulte Kraft in sein System hineinzieht, wird man in einer Irrenanstalt enden. So gefährlich, so zerstörerisch ist sie.
Unser erster Wunsch sollte sein, Gott zu gefallen. Um Ihm zu gefallen, müssen wir Ihm unser gesamtes inneres Streben geben und alles zu Seinen Füßen legen. Wenn wir Ihm einmal gefallen haben, liegt es an Ihm, ob Er uns spirituelle oder okkulte Kraft oder beides geben will. Wenn Er uns okkulte Kraft geben will, schön und gut. Wenn wir uns Seinem Willen unterworfen haben und Er uns okkulte Kraft gibt, dann ist es auch sicher, dass Er uns die Fähigkeit geben wird, sie sachgemäß für Ihn einzusetzen.
Wenn ihr Gott auf eure eigene Art gefallen wollt, werdet ihr viele unaufrichtige Dinge tun. Ihr werdet versuchen, ihm auf Biegen und Brechen zu gefallen. Ihr werdet sogar so weit gehen zu versuchen, Ihm zu schmeicheln oder Ihn zu bestechen. Wenn eure Natur rein ist, völlig rein, schneeweiß, dann werden ihr versuchen, Ihm so zu gefallen, wie Er es haben will. Wenn ihr das tun könnt, wenn ihr Gott auf Seine eigene Weise gefallen könnt, dann wird alle okkulte und spirituelle Kraft euch zu Füßen liegen und euch dienen. Was die Welt nötig hat ist Gott zu gefallen. Wenn sie Ihn zufrieden stellen würde, wäre sie bereit für die Erleuchtung. Aber die Welt ist zur Enttäuschung verurteilt, weil sie nach Macht schreit. Wenn die Welt Gottes Liebe haben wollte, dann wäre sie heute gerettet, erleuchtet, vervollkommnet und unsterblich.