Schlaf
Kannst du erklären, warum Säuglinge und kleine Kinder im Schlaf manchmal lächeln wie Engel und warum sie ein andermal weinen?
Wenn sie lächeln, ist es ihre Seele, die ihre Freude auf eine sichtbare Weise in ihrem Gesicht zum Ausdruck bringt. Die psychische Glückseligkeit offenbart sich in ihrer ganzen Fülle ihn ihrem Gesicht. Zuerst empfinden wir Freude – der wir uns vielleicht nicht einmal bewusst sind – und unmittelbar danach drückt sie sich in unserem Gesicht aus. Es gibt verschiedene Gründe dafür, wenn ein kleines Kind schreit oder weint. Manchmal kann es Hunger oder Durst haben oder es kann träumen. Wenn wir zerstörerische, furchterregende oder quälende Träume haben, schreien wir normalerweise nicht laut auf. Wir wissen, dass wir nur einige Minuten oder Sekunden lang Angst haben werden. Aber ein Kind fühlt, dass es angegriffen wurde und weiß nicht, was für ein Angriff das ist und wann er vorbei sein wird. Es ist hilflos wie ein Kind, das sich im Wald verirrt hat und es fühlt, dass es nur gerettet wird, wenn es laut schreit. Eltern können ihre Kinder allerdings nicht vor Träumen schützen. Kluge Eltern können nur zu ihren Kindern gehen und sie trösten.
Was kann ich gegen meine nächtlichen Schlafstörungen unternehmen?
Sri Chinmoy: Andere Schüler haben dieselben Probleme. Aber manche schlafen wiederum länger als nötig. Es gibt auch einige aufrichtige Schüler, die zu Gott um weniger Schlaf beten, damit sie länger beten und meditieren können. Was mich betrifft, so schlafe ich normalerweise zwei Stunden pro Nacht. Sogar dann, wenn mein physischer Körper schläft, verweile ich im Yogi-Bewusstsein und fühle mein Einssein mit Gott.
Da du mein Schüler bist, bete zu Gott um mehr Schlaf, das ist das beste Heilmittel für dich. Doch wenn du andere Heilmittel ausprobieren willst, so wäre eines davon, dir nur blassgrüne Dinge vorzustellen. Ein blasses Grün hat die Fähigkeit, die Nerven zu beruhigen, nicht das dunkle Grün. Stelle dir ein Reisfeld vor oder irgend ein anderes grünes Feld. Versuche zu fühlen, dass du entweder am Rand eines grünen Feldes entlang gehst, oder dass du dich in der Mitte eines grünen Feldes befindest oder dass alles um dich herum grün ist. Sogar wenn du das Wort ‚grün’ einfach einige Male wiederholst – so als ob du ein Mantra singen würdest – wird dein inneres Gehör diesen Klang vernehmen und die Farbe Grün wird in dir widerhallen und den innersten Winkel deines Herzens berühren. Dann wirst du beginnen, grüne Dinge um dich herum oder vor dir zu sehen. Es hat vielen Leuten geholfen; es kann auch dir helfen.
Doch das Beste ist, zum Supreme zu beten, damit Er dir mehr Schlaf gewährt. Wenn du einen gesunden Schlaf hast, so bist du am nächsten Tag vielleicht dazu inspiriert, gute oder großartige Dinge zu leisten. Du solltest also Gott immer um das bitten, was du brauchst. Die höchste Philosophie liegt natürlich darin, Gott darum zu bitten, nur Seinen Willen in dir und durch dich zu erfüllen. Doch du hast diesen Zustand noch nicht erreicht. Zuerst musst du gut werden, dann besser, dann am besten. Du musst zu Gott um positive Dinge beten: dass Er deine Eifersucht wegnehme, deine Unsicherheit, deine Zweifel, deine negativen und unreinen Gedanken. Wenn du zum augenblicklichen Zeitpunkt sagen würdest: „Wenn es der Wille Gottes ist, dann lass mich den unreinsten Verstand der Welt haben, lass mich die unsicherste Person der Welt sein“, dann würdest du dich nur diesen Kräften ergeben.
Wir müssen immer unsere Weisheit anwenden und erkennen, welche Dinge gut sind und uns die Möglichkeit geben, Fortschritt zu machen. Wir haben den Begriff ‚spirituelle Hingabe’ kennengelernt. Doch wir müssen uns der Weisheit hingeben, nicht der Dummheit. Wenn ein Schüler unsicher ist, könnte er oder sie anfangen zu behaupten: „Vielleicht ist meine Unsicherheit der Wille Gottes. Da ich nur in die Welt kam, um Gott zufrieden zu stellen, sollte ich mich vielleicht der Unsicherheit hingeben.“ Zu diesem Zeitpunkt wird Gott über die Dummheit des Schülers nur lachen.
All unsere negativen Eigenschaften müssen wir in positive Eigenschaften umwandeln. Wenn es Dinge gibt, die in unserem Weg stehen und uns abhalten, gute Instrumente Gottes zu werden, sollten wir zu Gott um Hilfe beten, damit wir diese Hindernisse überwinden können. Du leidest jetzt unter Schlaflosigkeit. Dein Mangel an Schlaf quält dich. Du würdest einen Fehler begehen, wenn du erklären würdest: „Wenn ich sechs Monate nicht schlafen kann, so macht das nichts! Gott gibt mir eine Erfahrung, also lass mich still sein.“ Das ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht das richtige Gebet für dich. Du solltest zu Gott beten: „Bitte gib mir Schlaf, damit ich morgen meditieren und zur Arbeit gehen kann.“
Wenn du dich aber in einem wirklich hohen Bewusstsein befindest, kannst du deine Einstellung gegenüber der Schlafunfähigkeit ändern. Du kannst dein Leid in Glück verwandeln. Anstatt dich unglücklich zu fühlen, weil sich der Schlaf nicht einstellt, kannst du sagen: „Gott hat mir die goldene Gelegenheit gegeben, einige Stunden mehr zu meditieren. Bis jetzt habe ich morgens eine halbe Stunde und abends eine halbe Stunde lang meditiert. Doch nun habe ich in der Nacht noch vier oder fünf extra Stunden für die Meditation bekommen; also habe ich sehr viel Glück.“ Wenn du so deine Einstellung verändern kannst und in der Nacht sehr glücklich und fröhlich meditieren kannst, dann wird die Göttin des Schlafes sofort zu dir kommen. Ich sage dir, wenn du in der Nacht deine Meditation mit einer göttlichen Einstellung beginnst, wirst du nicht länger als ein paar Minuten meditieren müssen, bis die Göttin des Schlafes zu dir kommt und dich mit dem tiefsten Schlaf segnet.
Zum jetzigen Zeitpunkt ist es das Beste für dich, zum Supreme um einen gesunden Schlaf zu beten. Wenn Er dir in manchen Nächten keinen tiefen Schlaf gibt, so kannst du in diesen Nächten versuchen, deine Einstellung zu ändern und zu sagen: „Vielleicht ist das die goldene Gelegenheit für mich um zu meditieren.“ Das wird auch helfen. Doch wenn du versuchst, die höchste Methode anzuwenden und zu sagen, dass deine Schlafunfähigkeit vielleicht der Wille Gottes ist, so wirst du diese Einstellung nicht beibehalten können. Nach einem oder zwei Tagen wird dein Verstand revoltieren, denn zwischen deinem augenblicklichen spirituellen Entwicklungsstand und der Wirklichkeit, die du dir vorstellst, befindet sich ein klaffender Abgrund. Es ist gewiss, dass die Äste des Baumes die Früchte tragen. Doch wenn du den Glauben hegst, dass du nur hochspringen musst, um die Früchte zu ergreifen, unterläuft dir ein bedauerlicher Irrtum. Du musst langsam und beständig auf den Baum klettern; nur dann wirst du an die Früchte gelangen.
Angenommen wir sind bis spät in die Nacht hinein auf und haben das Gefühl, wir könnten mit so wenig Schlaf nicht zu unserer gewohnten Zeit aufstehen. Sollten wir dann später meditieren, oder sollten wir zur gewohnten Zeit meditieren und uns danach wieder
Sri Chinmoy: Wenn ihr eine bestimmte Stunde habt, zu der ihr meditiert, ist es am besten, immer zu dieser Zeit aufzustehen, außer unter höchst ungewöhnlichen und unvermeidlichen Umständen. Man kann selbst drei oder vier Stunden, nach kurzer Rast, ohne weiteres meditieren.
Wenn jemand jedoch nur eine halbe Stunde oder eine Stunde vor seiner geplanten Meditationszeit zu Bett gegangen ist, dann wird es für ihn sehr schwierig, wenn nicht unmöglich sein, zu meditieren. Es wird dann keine wirkliche Meditation, sondern nur eine Art geistige Übung und physische Qual sein. Wenn man jedoch drei Stunden lang geschlafen hat, sollte man fähig sein, zu seiner gewohnten Zeit zu meditieren und sich nachher wieder schlafen zu legen.
Wenn ihr eine bestimmte Zeit für eure Meditation festgelegt habt, dann fühlt, dass zu dieser Stunde euer Geliebter kommt und an eure Türe klopfen wird. Wenn derjenige, den ihr liebt, zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Rendezvous mit euch hat, werdet ihr mit Sicherheit kommen, um dieses Rendezvous trotz mangelnden Schlafes einzuhalten; einfach deshalb, weil ihr den Betreffenden liebt. Wenn Gott euer erhabener Geliebter ist, dann werdet ihr ihm nicht zumuten, vor der Tür zu stehen und vergeblich auf euch zu warten. Ihr werdet rennen, um ihn hereinzulassen. Wenn ihr die Türe nicht öffnet, wird Er weggehen. Wenn ihr dann später aufsteht, wird eure Meditation nicht so gut sein wie gewöhnlich, und eure Seele wird euch ihre Traurigkeit spüren lassen, da ihr euren Geliebten enttäuscht habt.
Wenn ich manchmal spät zu Bett gehe und nur fünf Stunden geschlafen habe, habe ich das Gefühl, ich sollte mich länger ausruhen.
Sri Chinmoy: Das ist wahr. Was könnt ihr tun, wenn euer Körper Ruhe verlangt? Ihr müsst weise sein. Ihr müsst versuchen, euer Leben so zu organisieren, dass ihr genügend Schlaf erhaltet. Manchmal sagen euch jedoch der schlaue Verstand und der lethargische Körper, dass ihr mehr Schlaf bräuchtet, obwohl ihr eigentlich gar nicht mehr Schlaf braucht. Versucht euch also bitte im klaren zu sein, ob euer Körper wirklich mehr Schlaf braucht, oder ob es nur euer Verstand ist, der euch müde fühlen lässt.
Du sagst, wir sollten schlafen, wenn wir krank sind oder uns erschöpft fühlen. Was sollen wir tun, wenn wir aufwachen und unser Körper sagt, er sei wirklich erschöpft und brauche mehr Schlaf?
Sri Chinmoy: In diesem Fall ist es nicht der Körper, sondern der physische Verstand, der spricht. Selbst wenn wir zwanzig Stunden schlafen, wird der physische Verstand sagen: „Ich bin müde, ich bin so müde.“ Wenn wir aufstehen, wird uns derselbe physische Verstand sagen: „Jetzt ist es zu spät zum Meditieren; die Zeit ist vorbei.“
Was sollten wir tun, wenn wir sehr müde sind? Ich weiß, wir sollten keinen Tee und keinen Kaffee trinken. Gibt es spirituelle Methoden, um aufzuwachen oder effektiver zu schlafen?
Sri Chinmoy: Es gibt spirituelle Methoden, die uns helfen können, wenn wir müde sind. Man kann zum Beispiel fünf Minuten lang wechselseitiges Atmen üben, darf es aber nicht mechanisch tun. Während des Atmens sollte man sich konzentrieren. Dann wird man mit Sicherheit fühlen, daß man göttliche Energie einatmet. Kaffee schenkt uns Energie, Tee schenkt uns Energie, doch die göttliche Energie, die wir ständig einatmen, besitzt unendlich viel mehr Kraft als Kaffee und Tee.
Ich habe gesagt, sieben oder acht Stunden Schlaf seien für Anfänger notwendig. Doch es gibt eine Yoga-Methode, um sich auszuruhen. In einer Sekunde kann man fünfzehn Minuten lang schlafen, manchmal auch eine halbe Stunde lang oder länger. Wie kann man diese Art von Erholung lernen? Wenn wir in der Nacht schlafen, sollten wir fühlen, dass unser ganzer Körper von Kopf bis zu den Füßen ein Meer von Frieden geworden ist. Versucht bewusst zu fühlen, dass ihr nicht euer Körper seid, sondern eine unendliche Ausdehnung des Friedens. Wenn ihr bewusst diesen Frieden fühlen könnt, werdet ihr sehen, dass euer physischer Körper in das Meer eingetaucht und in diesem Meer des Friedens völlig verschwunden ist. Wenn wir diese Übung effektiv machen können, werden wir sehr wenig Schlaf benötigen.
Ob wir ausgeschlafen sind, hängt nicht von der Anzahl der geschlafenen Stunden ab. Während acht Stunden Schlaf schlafen wir kaum eine Stunde lang richtig und erhalten möglicherweise nicht einmal zwei Minuten echten Schlaf. Wir wissen, wie man meditiert und sich konzentriert. Nun müssen wir diese unendliche Ausdehnung des Friedens in uns spüren und versuchen, diese Ausdehnung des Friedens zu verkörpern. Wir haben das Gefühl, wir seien stark, wenn unser Körper aktiv und dynamisch ist. Doch die wirkliche Stärke liegt im inneren Frieden und nicht in der äußeren Handlung. Wenn wir in unendlichem Maße Frieden besitzen, dann kommt automatisch dynamische Energie von dort. Auf dem äußeren Gebiet der Manifestation werden wir zu dynamischer Energie, während wir innerlich reiner Frieden sind.
Die indische Tradition besagt, dass wir besser schlafen, wenn wir uns in der Nacht auf die linke Seite legen. Während des Tages ist es am besten, auf der rechten Seite zu schlafen. Doch auf dem Bauch sollte man nie schlafen. In all diesen Dingen liegt etwas Wahres. Die Weisen sagen auch, dass man nie mit den Händen auf der Brust schlafen soll, sonst erhalte man Albträume. Viele Menschen haben deshalb unnötig Albträume.
Wenn ihr das Gefühl habt, dass euch selbst acht Stunden Schlaf nicht genügen, oder falls ihr in einer bestimmten Nacht nicht zu eurer gewohnten Zeit zu Bett gehen könnt, dann könnt ihr einen Trick anwenden: Versucht euch vorzustellen, dass ihr vierundzwanzig Stunden schlafen werdet. Sobald ihr dann am Morgen erwacht, versucht zu fühlen, dass ihr vierundzwanzig Stunden geschlafen habt. Denkt nie daran, dass ihr nur drei oder vier Stunden geschlafen habt. Der Verstand überzeugt das äußere Bewusstsein. Allein der bewusste Verstand kann euch zufriedenstellen. Wenn euer bewusster Verstand euch sagt, dass ihr vierundzwanzig Stunden geschlafen habt, werdet ihr es glauben. Dies ist keine Selbsttäuschung; es ist Selbstkontrolle im bewussten Verstand. Wir sagen, wir hätten vierundzwanzig Stunden geschlafen, weil die Zahl vierundzwanzig uns das Gefühl gibt, wir hätten uns mehr als genug ausgeruht. Diese Zahl besitzt eine große Kraft. Vielleicht schlafen wir nicht einmal vier Stunden, doch die Zahl vierundzwanzig gibt uns sofort das Gefühl der Zufriedenheit, der Erleichterung und der Erfüllung. Auf diese Weise können wir früh am Morgen aufstehen.