Sri Chinmoy: Wenn wir gelernt haben, wie ein Problem anzuschauen ist, dann verschwindet bereits die Hälfte der Kraft des Problems. Aber meistens versuchen wir, ein Problem zu meiden, wir versuchen, davor davon zu laufen. Ein Problem ist kein Zeichen für einen Fehler oder für ein Verbrechen unsererseits, warum sollten wir also Angst haben uns ihm zu stellen? Wir müssen uns bewusst sein, dass es auch falsche Kräfte, ungöttliche Kräfte, feindliche Kräfte um uns herum gibt. Indem wir uns selbst die Schuld geben, und dann versuchen, uns zu verstecken, lösen wir das Problem nicht. Wir müssen uns dem Problem stellen und schauen, ob wir wirklich die Schuld tragen. Wir müssen fühlen, dass wir nicht der Problemverursacher sind, sondern der Problemlöser. Wenn wir streben und das spirituelle Leben praktizieren, dann müssen innere Stärke und Nichtverhaftetsein entwickeln. Langsam und allmählich werden wir innerlich stark werden, und dann werden wir fähig sein, die durch unsere innere Schwäche verursachten Probleme zu lösen.

Sri Chinmoy: Meine Philosophie und Ihre Philosophie sind die gleiche: Liebe, Liebe, Liebe. Wenn Sie Liebe für jemanden empfinden, werden Sie nicht mit ihm streiten oder kämpfen. Und wenn der andere Liebe für Sie empfindet, wer wird dann kämpfen? Die Menschen bekriegen sich, weil in ihren Herzen kein Friede ist. Wenn jemand innerlich fühlt, dass er schwach ist, versucht er, diese Schwäche zu überspielen, indem er Aggressionen an den Tag legt. Er versucht, seine Stärke zu demonstrieren.
Wenn ich mich innerlich stark fühle, werde ich keinen Streit mit Ihnen beginnen. Und wenn Sie sich innerlich stark fühlen, werden Sie keinen Streit mit mir beginnen. Ein kleines Kind kneift oder schlägt seinen Bruder. Warum? Es will ihm zeigen, dass es stärker ist als sein älterer Bruder. Der ältere Bruder aber weiß bereits, dass er viel stärker ist als sein kleiner Bruder. Und aus Mitgefühl vergibt er seinem jüngeren Bruder. Er sagt: „Nein, ich werde nicht mit dir streiten." Wenn Friede in uns ist, dann ist auch die Liebe in uns. Und wenn Liebe in uns ist, ist Friede in uns. Dann gibt es keinen Grund mehr, sich zu streiten oder zu bekriegen.
Wie erlangen wir diesen inneren Frieden? Indem wir Gutes tun und gute Bürger der Welt werden. Wir können spirituelle Bücher lesen oder beten und meditieren oder der Welt auf irgendeine andere Weise dienen. Wenn wir wahrhaft gute Weltbürger werden, werden wir uns dann bekriegen? Die Frage des Krieges stellt sich dann gar nicht.
Derjenige, der Gott liebt, derjenige, der Allah liebt, wird sich nicht bekriegen. Vier- oder fünfmal täglich beten wir zu Gott, er möge gute Menschen aus uns machen und uns Freude, Liebe und Frieden gewähren. Wer betet schon zu Gott: „Gott, gib mir die Kraft, diese oder jene Person zu vernichten?"
All diejenigen, die gute Menschen werden wollen, teilen die gleiche Philosophie: Liebe, Liebe, Liebe.

Sri Chinmoy: Meiner Ansicht nach steht die Religion an erster Stelle, dann folgen Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Warum? Wenn die Menschen religiös sind, werden sie versuchen, ein besseres und reineres Leben zu führen, und genau das braucht die Welt am meisten. Dann kommt die Politik. Die Politik lenkt den Verstand, das Vitale und den Körper der Menschheit. So wie die Religion sich in erster Linie mit dem Herzen und den inneren Gefühlen beschäftigt, setzt sich die Politik vorrangig mit dem analysierenden Verstand, dem dynamischen Vitalen und dem wachsamen Körpers auseinander. An nächster Stelle steht das soziale Problem. Nachdem Religion das Herz und die Politik den Geist, das Vitale und den Körper berührt hat, sollte in der Gesellschaft eine Atmosphäre von Verbundenheit und Freundschaft herrschen. An diesem Punkt muss sich das Einzelwesen in ein Kollektiv einfügen. Sobald der Einzelne Einssein mit den anderen entwickelt hat, sieht er deren Bedürfnisse als seine eigenen an. Und dann lassen sich die Probleme auf der wirtschaftlichen Ebene leicht lösen.
Wir müssen also zuerst an Gott denken und etwas Licht erlangen, um es unserem Land anbieten zu können. Dann müssen wir eine enge Verbindung zu unseren Mitmenschen herstellen. Wenn wir unser Einssein mit anderen fühlen, werden wirtschaftliche Probleme weitestgehend gelöst werden können. Denn dann werde ich dein Bedürfnis als mein Bedürfnis wahrnehmen und umgekehrt. Und dann werde ich mehr als bereit sein und du wirst dich mehr als glücklich schätzen, mir zu helfen. An erster Stelle also steht die Religion, dann folgen die Politik und danach schließlich die Bereiche Gesellschaft und Wirtschaft.