Annahme der Welt
Die Bedeutung des Handelns
Sri Chinmoy: Wenn du glaubst, dass du dich aus dem äußeren Leben zurückziehen musst, um Frieden zu erlangen, unterliegst du einem großen Irrtum. Im Rückzug aus dem Leben werden wir niemals Erfüllung finden. Im Tätigsein machen wir Fortschritt und erreichen etwas. Im Handeln, im schöpferischen Tun und in der Manifestation finden wir Erfüllung und Zufriedenheit.
Betrachten wir einen Fluss. Ein Fluss fließt unaufhörlich in Richtung Meer. Er trägt dabei alle möglichen Dinge mit sich – Schmutz, Steine, Blätter, Sand –, die er auf dem Weg zu seinem Ziel aufnimmt, doch er bleibt stets in Bewegung. Wir sollten unser Leben auch als einen Fluss sehen, der dem Meer der Erfüllung entgegenströmt. Wenn wir Angst davor haben zu handeln, weil wir nicht mit den Unvollkommenheiten der äußeren Welt in Berührung kommen wollen, werden wir unser Ziel niemals erreichen.
Wir müssen handeln. Wenn wir uns aus dem Leben zurückziehen, erklären wir damit Gott bewusst und in voller Absicht, dass wir in Seinem Spiel nicht mitspielen wollen. Wenn wir allerdings ein bestimmtes Ergebnis von unserem Handeln erwarten, wird Frieden niemals in unser Leben einkehren. Wir werden enttäuscht sein, wenn das Ergebnis nicht unseren Erwartungen entspricht. Wir werden denken, dass wir versagt haben. Wenn das geschieht, kann es für uns natürlich keinen Frieden geben.
Wir sollten fühlen, dass Handeln selbst ein großer Segen ist; das Ergebnis unserer Handlung jedoch müssen wir als eine Erfahrung betrachten. Mit unserer eigenen begrenzten Sichtweise werden wir das Resultat entweder als Fehlschlag oder als Erfolg auffassen. Aus der Sicht Gottes jedoch sind Misserfolg wie Erfolg nur Erfahrungen, die helfen, unser Bewusstsein weiterzuentwickeln. Was auch immer geschieht, wir sollten das Ergebnis unseres Handelns als die Erfahrung ansehen, die Gott uns geben wollte. Heute gibt Er uns vielleicht die Erfahrung des Misserfolgs. Morgen kann Er uns eine andere Erfahrung geben, die uns äußerlich zufrieden stellt. Welches Ergebnis wir auch immer von unserem Handeln erhalten, wir sollten stets versuchen, damit zufrieden zu sein.
Bitte sprechen Sie über die Entsagung.
Sri Chinmoy: Von einem strikt spirituellen Blickpunkt aus betrachtet, ist es für einen innerlich strebenden Menschen nicht nötig, die sogenannte irdische Entsagung auszuüben. Wenn Entsagung bedeutet, die eigene Familie zu verlassen, wenn Entsagung bedeutet, sich weder um die Gesellschaft noch um die Menschheit zu kümmern, so muss ich dazu sagen, dass ganz gleich, wem wir heute entsagen, morgen jemand anderer oder etwas anderes in unserem Weg stehen wird. Heute mag unsere Familie das Hindernis sein, morgen werden es unsere Freunde sein, dann unser Land, dann die Welt. Bei dieser Art der Enthaltsamkeit gibt es kein Ende. Natürlich müssen wir im spirituellen Leben entsagen. Doch welcher Sache entsagen wir? Wir entsagen der Angst, dem Zweifel, der Unvollkommenheit, der Unwissenheit und dem Tod. Wir entsagen nicht den Menschen; wir entsagen den Qualitäten, die unserer Vereinigung mit dem Göttlichen im Wege stehen. Wenn wir das spirituelle Leben betreten, erhalten wir die Gelegenheit, diesen Qualitäten zu entsagen oder besser ausgedrückt, sie zu transformieren. Wenn jemand behauptet, er entsage der Welt, um Gott zu verwirklichen, so muss ich sagen, dass ihm ein Fehler unterläuft. Heute entsagt er der Welt, doch morgen wird er entdecken, dass der Gott, den er sucht, nirgendwo anders ist. Er befindet sich genau in dieser Welt. Was hält ihn davon ab, Gott in der Welt zu sehen? Seine eigene Einstellung. Um Gott in der Menschheit zu erkennen, muss er den Schleier der Unwissenheit, der sich zwischen ihm und der restlichen Welt befindet, entfernen. Sobald dieser Schleier fällt, gibt es nichts mehr, dem man entsagen müsste. Man sieht Gott, man fühlt Gott, man ist in Gott – hier und im Jenseits.
Sollte sich ein Mensch in die Einsamkeit zurückziehen und die Menschheit von sich weisen, um zu meditieren?
Sri Chinmoy: Die Menschheit ist ein Teil Gottes. Wie wollen wir das Göttliche erreichen, wenn wir die Menschheit beiseiteschieben? Wir müssen die Welt so annehmen, wie sie jetzt ist. Wie können wir etwas umwandeln, wenn wir es nicht annehmen? Wenn der Töpfer den Tonklumpen nicht berührt, wie kann er ihn dann zu einem Topf umformen? Wer meditiert, muss wie ein göttlicher Held inmitten der Menschheit handeln.
Die Menschheit ist zur Zeit sehr weit von der Vollkommenheit entfernt. Doch wir sind ebenfalls Teile dieser Menschheit. Wie können wir unsere Brüder und Schwestern, die unsere eigenen Glieder sind, verwerfen? Wenn wir das tun, werden wir nur unsere eigene Fähigkeit begrenzen, in der Welt wirksam zu handeln. Wir müssen die Menschheit ganz als unser eigen annehmen. Sobald wir einen Schritt weiter gekommen sind und andere inspirieren können, haben wir die Möglichkeit, dem Göttlichen in denjenigen zu dienen, die uns folgen.
Wir müssen der Welt ins Gesicht sehen und das Höchste in der Welt erkennen. Wir wollen nicht das Leben eines Menschen führen, der der Wirklichkeit zu entfliehen versucht. Wer entflieht? Derjenige, der sich fürchtet oder derjenige, der fühlt, dass er einen schwerwiegenden Fehler begangen hat. Wir haben nichts Falsches getan, und wir müssen uns nicht vor der Welt um uns fürchten. Wenn wir uns vor der Welt fürchten, dann werden wir uns vor allem fürchten.
Gegenwärtig sehen wir eine riesige Welt der Unvollkommenheit um uns herum. Wir versuchen zu entfliehen, um uns selbst zu schützen. Dazu möchte ich sagen, dass unser eigener Verstand ein weit gefährlicherer Feind ist als unsere heutige Welt. Selbst wenn wir weggehen und in einer Höhle leben, können wir unserem Verstand nicht entkommen. Wir tragen unseren Verstand mit uns – einen Verstand, der voller Ängste, Eifersucht, Verwirrung, Zweifel, Furcht und anderer ungöttlicher Eigenschaften ist. Unser Verstand zwingt uns, im Schlachtfeld des Lebens zu bleiben. Wenn wir unseren Verstand nicht bezwingen, während wir auf der Erde leben, welchen Sinn hat es, nur unseren Körper aus der Alltagswelt herauszunehmen?
Wir müssen nicht in die Höhlen des Himalayas gehen, um zu meditieren. Wir müssen versuchen, das Gesicht der Welt durch die Hingabe an das Göttliche in der Menschheit zu verwandeln. Meditation ist keine Flucht. Meditation ist die Annahme des Lebens in seiner Ganzheit, in der Absicht, es für die höchste Manifestation der göttlichen Wahrheit hier auf der Erde umzuwandeln.
Es gibt Leute, die nur meditieren wollen. Sie wollen der Welt nichts geben. Das ist Egoismus. Dann gibt es auch Leute, die nur geben, aber nicht meditieren wollen. Das ist Dummheit. Wie wollen wir etwas geben, wenn wir nicht meditieren, wenn wir nichts besitzen? Es gibt viele Menschen auf der Welt, die bereit sind zu geben, doch was haben sie? Wir müssen zuerst unsere Rolle spielen. Zuerst müssen wir etwas erreichen, dann können wir es weitergeben. Auf diese Weise können wir Gott gefallen und die Menschheit erfüllen.
Die Welt bin ich
Submitted by Mahamani on 25. June 2008 - 11:26Inmitten der Gebirgswelt.
Hoch ragten die majestätischen Schweizer Bergriesen empor. Der Wind strich langsam und im verspielten Rhythmus über mein Haar. Ein steiler Felssteig führte auf ein kleines Aussichtsplateau hinauf, von wo aus die Bergriesen noch viel gewaltiger und beeindruckender erschienen. Ich atmete tief ein und fühlte mich für einen Moment vollkommen eins mit der mich umgebenden Gebirgswelt. Mich auf einen schmalen Felsvorsprung setzend, versuchte ich für ein paar Augenblicke in dieser gefühlvollen Stimmung zu verharren.
Unter dem weiten Horizont.
Die Wolken trieben weit über mir gedankenverloren vor sich hin und in der Ferne murmelte das angenehme Plätschern eines winzigen Gebirgsbächleins. Im Gras erblickte ich ein paar dunkelgrüne Heuschrecken, die sich nur durch ihre schnellen Bewegungen von der Regungslosigkeit ihrer Umgebung unterschieden. Für einen Augenblick konnte ich mir überhaupt nicht mehr vorstellen, diesen Ort noch einmal zu verlassen. Was könnte es woanders auch geben, was nicht bereits hier im Übermaß vorhanden war? Stille, Schönheit, das Leben in seiner reinsten Ursprünglichkeit.
Wie vollständig ist meine Weltannahme?
Aber vielleicht, dachte ich bei mir, vielleicht ist es ja nur meine noch unvollständige Annahme der Welt, die meinen Geist daran hindert, sich immer und überall wohl zu fühlen. Mein noch nicht vollkommen gefestigtes Einssein, um einen vom spirituellen Lehrer Sri Chinmoy geprägten Begriff zu verwenden, mit allem Existierenden. Und vielleicht gibt es ja nicht einmal Schönheit an sich, sondern alles ist nur eine Spiegelung meines tiefsten Inneren. Fast schon erschrocken über diese plötzlichen philosophischen Gedanken erhob ich mich von meinem luftigen Sitzplatz und marschierte nachdenklich den schmalen Felssteig wieder ins Tal hinab.
Ist Schönheit objektiv oder subjektiv?
Ich blickte auf einen dieser mächtigen, schneebedeckten Drei-oder Viertausender und irgendwie kam mir dabei die berühmte spirituelle Größe Swami Vivekananda in den Sinn. Denn als dieser sich einmal auf einer Schiffsreise durch die Straße von Medina befand, erblickte er im Hintergrund den Ätna, welcher sich in leichter Eruption befand. Darüber nachdenkend, ob Schönheit etwas Äußeres ist oder nur von der inneren Schönheit des Betrachters abhängt, sprach er leise und bedächtig folgende legendären Worte:
"Medina muss mir dankbar sein, denn ich bin es, die ihr all diese Schönheit verleiht."
(Siehe auch Web-Log zur Selbst-Transzendenz von Mahamani)
Die Welt gehört Gott
Submitted by Mahamani on 1. May 2008 - 9:25Das Geheimnis der Weltannahme.
"Diese Welt gehört weder mir noch dir noch sonst irgend jemandem. Sie gehört Gott und Gott allein. Wir müssen deshalb wirklich weise sein. Wir müssen zuerst zum Besitzer gehen und nicht zum Besitz. Der Besitz selbst ist hilflos, er kann von sich aus nichts tun. Nur der Besitzer kann mit seinem Besitz tun, was er will."
Die Notwendigkeit der Gott-Zentriertheit.
Diese Worte des spirituellen Lehrers Sri Chinmoy weisen auf eine unbedingte Gott-Zentriertheit hin. Und jeder kennt sicher dieses Gefühl des nicht verstanden werdens, wenn er den Menschen dieser Welt oder der Welt selbst begegnet. Dieses nagende und verzweifelte Gefühl der Trennung von allem und jedem - einem völligen allein sein. Sehr oft habe ich dies schon als vollkommen niederschmetternd empfunden. Daher hilft mir der Gedanke Sri Chinmoys, es vielleicht einmal anders herum zu probieren, sozusagen "das Pferd von hinten aufzuzäumen".
Gebet und Meditation = Gott und die Welt zugleich.
Denn suche ich im Gebet und der Meditation zuerst Gott den Besitzer auf, wer weiß... . Und tatsächlich, die Welt scheint auf einmal kein Feind mehr zu sein, nicht etwas, was mich immer wieder völlig missversteht, wie sehr ich mich auch bemühe jenem zu gefallen. Und ähnlich formuliert es auch Sri Chinmoy, wenn er sagt: "Werden wir zuerst eins mit Gott, so werden wir automatisch eins mit Gottes Besitz. Wenn wir eins mit Gott und Seinem Besitz werden, können wir sicher und unfehlbar fühlen, dass die Welt unser ist und dass wir der Welt gehören." Und diese Erfahrung ist ungemein erleichternd und erfüllend zugleich.
(Siehe auch Web-Log zur Selbst-Transzendenz von Mahamani)