Wieviel Freiheit und wieviel Disziplin sollten Kinder haben?
Sri Chinmoy: Hier im Westen gibt es eine Art von Freiheit, die ich nicht befürworte. Eltern handeln manchmal aus falscher Bescheidenheit heraus und sagen, dass sie nicht wissen, was das Beste für ihre Kinder ist. Und so lassen sie ihren Kindern die Freiheit, selbst herauszufinden, was das Beste für sie ist. Es mag wohl stimmen, daß Sie im Vergleich mit einem spirituellen Meister oder einem Yogi nichts wissen. Doch verglichen mit Ihren Kindern wissen Sie viel mehr. Sie haben viele Fehler im Leben gemacht und durch diese Fehler haben Sie bis zu einem gewissen Ausmaß gelernt, was gut und was schlecht ist. Wenn Sie ihre Kinder wirklich lieben, werden Sie sie von Ihren Erfahrungen profitieren lassen. Jeden Tag sollten Sie zu Gott beten und auf Gott meditieren, Ihnen Weisheit zu geben, damit Sie Ihre Kinder nicht fehlleiten. Und die Weisheit, die Sie erhalten, müssen Sie Ihren Kindern weitergeben. In den prägenden Jahren der Kindheit sollten die Eltern daher ihren Kindern immer sagen, was das Beste für sie ist.
Wenn Kinder in jungen Jahren nicht richtig erzogen werden, nehmen sie als Jugendliche vielleicht Drogen oder tun viele schlechte Dinge. Dann behaupten die Eltern: "Das haben sie nicht von uns." Aber unglücklicherweise haben ihnen die Eltern eine falsche Art von Freiheit gegeben. Anstatt ihre eigenen Ideale den Kindern nahezubringen, ließen sie die Kinder ihre eigenen Entscheidungen treffen.
Wenn Sie ein Kind haben, so geben Sie Ihrem Kind Milch zu trinken, weil Sie wissen, dass Milch sehr nahrhaft ist. Sie sagen nicht: "Das Kind kann Milch oder Wasser trinken, je nachdem, was es lieber mag. Wenn es älter wird, wird es schon merken, dass Milch besser ist." Bis dahin ist es vielleicht schon krank oder sogar gestorben. Also bringen Sie Ihr Kind dazu, Milch zu trinken, bis es zehn oder zwölf Jahre alt ist, und dann lassen Sie es etwas anderes trinken, falls es keine Milch mag.
Genauso nähren die Eltern auf der spirituellen Ebene oft die Seelen ihrer Kinder nicht. Sie sagen, sie wüßten nicht, welchen Pfad ihre Kinder wählen würden, welchen Glauben sie bräuchten oder welche Art Gebet für sie am besten sei, und so bringen sie ihnen überhaupt nichts bei. Doch Sie sollten fühlen, dass das, was Sie für Ihr eigenes inneres Leben am besten finden, auch für Ihre Kinder gut ist. Ihre Kinder werden spirituell sterben, wenn Sie ihnen keine innere Nahrung geben. Sie zwingen ihnen damit nichts auf, Sie geben ihnen zu essen. Vielleicht mögen sie diese bestimmte Speise nicht, aber sie müssen etwas essen, sonst werden sie sterben. Später, wenn sie erwachsen werden, haben sie die Freiheit zu essen, was immer sie wollen.
Ich sehe hier Tausende von Kindern, die von ihren Eltern im Namen der Freiheit fehlgeleitet wurden. Freiheit wird gegeben, aber wer kann Freiheit wirklich genießen? Derjenige, der auf die Weisungen seines inneren Wesens hört und dem inneren Gesetz gehorcht. Freiheit auf der äußeren Ebene kann man nur dann genießen, wenn man einer höheren Autorität gehorcht seinem eigenen Selbst. Wenn man seinem höheren Selbst nicht gehorcht, wird man sogleich völlig begrenzt und gebunden.
Da sie mehr Weisheit und Erfahrung als ihre Kinder haben, sollten Eltern fühlen, daß sie das höhere Selbst ihrer Kinder sind. Sie sind untrennbar mit dem Leben ihrer Kinder verbunden, aber sie sind bewußter als sie; darum sind sie in der Lage, ihre Kinder zu führen und zu formen. Dieselben Kinder werden eines Tages erwachsen und fähig sein, ihre eigenen Kinder zu führen und zu formen. Aber wenn den Kindern Freiheit gegeben wird, bevor sie innere Weisheit besitzen, so ist diese Freiheit nicht gut.
Sie geben Ihrem Kind die einzige wirkliche Freiheit, wenn Sie ihm die Wahrheit, die Wirklichkeit geben. Wirkliche Freiheit besteht nicht darin, jemanden zu schlagen oder wie ein Vagabund herumzuziehen. Nein! Wirkliche Freiheit besteht darin, alles so zu tun, wie Gott es von uns möchte. Das ist Freiheit. Gott ist ganz Licht, ganz Freiheit, und nur wenn wir auf Ihn hören, können wir wirkliche Freiheit genießen.