Wie hängen Mitleid und Vergebung zusammen?

Sri Chinmoy: Mitleid und Vergebung sind zwei verschiedene Dinge. Angenommen, ein ungezogener kleiner Junge schlägt dich unnötigerweise. Du kannst noch härter zurückschlagen, tust es aber nicht. Warum? Weil du ihm vergeben hast. Dann siehst du einen anderen kleinen Jungen, der ganz allein ist. Er kann die Straße nicht alleine überqueren, weil er Angst hat. In diesem Fall wirst du ihm natürlich zu Hilfe kommen. Du wartest, bis die Ampel grün ist und hilfst ihm, die Straße zu überqueren. Das ist dein Mitgefühl. So also kannst du Mitleid von Vergebung trennen. Jemand braucht deine Hilfe und du besitzt die Kraft und die Fähigkeit, ihm einen Dienst zu erweisen. Dann zeigst du Mitleid. Jemand kann die falschen Kräfte nicht besiegen. In diesem Fall bietest du deine Vergebung an. Diese beiden Eigenschaften sind in unserem täglichen Leben von überragender Wichtigkeit. Der Höchste besitzt Mitleid und Vergebung in unendlichem Maße. Mit Seinem Mitleids-Auge folgt Er uns überallhin. Mit Seinem Vergebungs-Herz wiederum vergibt Er uns all unsere falschen Gedanken und Taten.
Ich möchte noch etwas hinzufügen. Wir müssen nicht nur anderen, sondern auch uns selbst vergeben. Wenn wir uns nicht ständig selbst vergeben, werden mit uns selbst unzufrieden sein. Wir müssen uns selbst vergeben in der lauteren Absicht, dass wir den gleichen Fehler nicht noch einmal begehen werden; wir werden vorwärtsgehen. Angenommen, ich habe vor ein paar Monaten etwas getan, was wirklich falsch war. Jetzt werde ich zu Gott um Vergebung, Vergebung, Vergebung beten. Gott hat mir wegen meines aufrichtigen Gebets bereits vergeben, aber ich vergebe mir selbst nicht, weil ich nicht ahne, dass Gott mir bereits vergeben hat. Also bin ich der Schuldige. Gott hat mir bereits vergeben, jedoch habe ich mir selbst nicht vergeben. Wenn wir uns selbst nicht vergeben, können wir nicht vorwärtsgehen. Wir blicken ständig zurück. Wir müssen unserer Vergangenheit vergeben; sonst können wir nicht in die Zukunft eintreten.